TIVOLI-KINO
seit 1914

 

 

 

TIVOLI-KINO (1914–1931)
TIVOLI-TONKINO (1931–1939, auch: TIVOLI-KINO)
TIVOLI-LICHTSPIELE (1940–1945)
TIVOLI-KINO (1945–ca. 1980)
CINEMA EROTIC (seit ca. 1980, auch: TIVOLI-KINO CINEMA EROTIC)

 

XV. (vorm. XIII.), Winckelmannstraße 2/Sechshauser Straße 128

 

ERÖFFNUNG vermutlich Februar 1914
SCHLIESSUNG 1915; 17.3.1975 (regulärer Spielbetrieb, danach Erotikkino)
ARCHITEKTEN Cesar Poppovits (Innenausstattung 1913), Kurt Bachmann (Plan 1973 und Umbauten 1975)
INHABER Else Freiin von Urban (1913–1916; Lizenz 1916 erloschen), Rudolf Seidl (1917–1930), Emma Becher, Adolf Kimerling, Abraham Schönfeld und Marie Schönfeld (ab 1930), Abraham und Marie Schönfeld, Emma Becher und Lucie Mikusch (1938), Franz Glawatsch (1938–1945), öffentliche Verwaltung (ab 1.4.1945), Besitzkontrolle der Amerikanischen Militärregierung Wiens (1.10.1946–1947), Gesellschaft (Karl und Franziska Alde, Lucie Mikusch und Österreichischer Bundesschatz (1948–1957), Karl Alde und Lucie Mikusch (1959–1969), Otto und Edith Slanina (1969–1983), Hans Pepersky (Sun-Video Warenhandelsgesellschaft m. b. H., später Venus-Video Warenhandelsgesellschaft m. b. H., ab 1983)
PÄCHTER Fa. Christian Ehrenhofer Kino & Handel mit Schreibwaren (ab 2010)

 

LIZENZ/KONZESSION Else Freiin von Urban (1913–1916; Lizenz 1916 erloschen), Rudolf Seidl (1917–1931, der das Kino aber schon 1930 verkaufte), Emma Becher (ab 1930), Abraham Schönfeld (1938), Franz Glawatsch (1938–1945), Kiba (1946–1953), Karl Alde (1954–1958), Lucie Mikusch (1959–1969), Edith Slanina (1969–1983), Hans Pepersky (1983–2010), Christian Ehrenhofer (ab 2010)

 

GESCHÄFTSFÜHRER Else Freiin von Urban (1914–1915), Aufsicht der Geschäftsführung Max Loebl (1914–1915), Rudolf Seidl (1917–1930), Karl Goldfeld (1931–1932), Abraham Schönfeld (1937–1938), Franz Glawatsch (1938–1940), Olga Glawatsch (1940–1945), Robert A. Feitzinger (27.4.1945–4.10.1945), Lucie Mikusch (5.10.1945–27.1.1946), Robert A. Feitzinger (28.1.1946–11.4.1947), Lucie Mikusch (11.4.1947–1953), Karl Alde (1953–1969), Otto Slanina (1969–1973), Edith Slanina (1976–1983), Monika De Barba (2003), Christian Ehrenhofer (ab 2010)

 

FASSUNGSRAUM 158/7 Logenplätze (1913), 174/13 Logenplätze (1922), 179/6 Logenplätze (1931–1957), 180 (1958–1975), 172 (1975), 126 (1977), 92 (1981–1983), ca. 60 (2003), 14 (ab 2012)

 

TONFILM ab 27.11.1931

 

 

 

 

 

 

 

Das kleine Kino mit schmalem, länglichem Saal wurde im ehemaligen Café eines 1903 erbauten Wohnhauses Ecke Winckelmannstraße/Sechshauser Straße eingerichtet und vermutlich im Februar 1914 von Else Freiin von Urban eröffnet. Zur Eröffnung lobte die Presse das vornehm und geschmackvoll ausgestattete Etablissement, zu dessen Eröffnung auch Mitglieder des Adels geladen waren. In Vertretung von Erzherzogin Zita erschien die Gräfin Rostitz. Wegen schlechten Geschäftserfolgs kam die Geschäftsführung jedoch ab Oktober 1914 bis Juni 1915 unter öffentliche Aufsicht, und das Kino musste nach Einleitung eines Ausgleichverfahrens schließen. 1917 übernahm Rudolf Seidl das zu diesem Zeitpunkt seit fast zwei Jahren leer stehende Kino in Besitz und Lizenz. Nachdem er 1929 auch das GLORIETTE-KINO (XIV., Linzer Straße 2) erworben hatte, verkaufte er das TIVOLI-KINO 1930 für ATS 41.250,– an Abraham Schönfeld. An dem Kino waren auch noch Emma Becher und Adolf Kimerling beteiligt. 1931 ließ Abraham Schönfeld für ATS 11.000,– eine Tonfilmapparatur einbauen und investierte in den Folgejahren noch ca. ATS 40.000,– in den gutgehenden Kinobetrieb. Am 27.11.1931 wurde als erster Tonfilm CAFÉ PARADIES / MITTERNACHTSLIEBE (D/F 1931, R: Carl Froelich und Augusto Genina) gezeigt und das Kino in TIVOLI-TONKINO umbenannt. CAFÉ PARADIES war übrigens auch der letzte Film, den der passionierte Kinobesucher Arthur Schnitzler sah (am 19.10.1931 im SCHUBERT-KINO, IX., Währinger Straße 46). Der Autor starb zwei Tage später. Die Besitzverhältnisse am Kino vor dem Anschluss 1938 waren wie folgt: 35 % Abraham Schönfeld, 25 % Marie Schönfeld, 30 % Emma Becher, 10 % Lucie Mikusch. Nach dem Anschluss wurde das TIVOLI-TONKINO zunächst unter kommissarische Leitung von Eduard Chipisch gestellte. Der Dentist Franz Glawatsch trat im September 1938 der SS bei und erwarb aufgrund eines Empfehlungsschreibens von Minister Glaise-Horstenau 1939 das zur Arisierung freigegebene Kinotheater. Franz Glawatsch war der Sohn des Schauspielers und Komikers Franz Glawatsch sen., der vor allem in Operettenaufführungen des Theaters an der Wien auftrat. Abraham Schönfeld, der zu emigrieren beabsichtigte, verlangte für das Kino eine Ablöse von ATS 50.000,–, Glawatsch wollte jedoch billiger an das Kino herankommen und ließ sich das Kino von der Vermögensverkehrsstelle ohne Kaufvertrag zuweisen. Obwohl das Kino auf ca. RM 100.000,– geschätzt wurde, musste Glawatsch nur die Entjudungssauflage von lächerlichen RM 3.300,– bezahlen, da das Unternehmen von der RFK (entgegen seinem tatsächlichen Wert) als verschuldet eingestuft wurde. Die jüdischen Besitzer Abraham und Marie Schönfeld sowie Emma Becher wurden enteignet. Emma Becher wurde nach Polen verschleppt und dort ermordet. Abraham Schönfeld wurde deportiert und starb am 19.10.1939 im Konzentrationslager Buchenwald. Marie Schönfeld wanderte nach Lemberg aus. Im Jahr 1940 trat Glawatschs Frau Olga als Gesellschafterin ein und arisierte – ebenfalls über die Vermögensverkehrsstelle – die restlichen 10 % der Kinoanteile von Lucie Mikusch für gerade einmal RM 4.000,–. Mikuschs Gatte erhob dagegen Protest, wurde aber mit der Androhung der Deportation nach Buchenwald »ruhiggestellt«. Nach Kriegsende wurde mit 27.4.1945 Robert Albert Feitzinger als Verwalter des Kinos eingesetzt. Dies wurde am 17.7.1945 auch vom Bund der österreichischen Lichtspielbesitzer bestätigt. Er war seit 1929 Operateur im Kino gewesen, wurde aber wegen einer Anzeige des Ariseurs Franz Glawatsch wegen judenfreundlichen Verhaltens von der Gestapo verhaftet und durfte bis 1940 in keinem Kino arbeiten. Er hatte damals im Kino mit seinen zwei Kollegen, den Herren Köhler und Urban, einem jüdischen Kinobesitzer und seinem ehemaligen Arbeitgeber das nötige Wissen für die Arbeit eines Kino-Operateurs beibringen wollen, und war dabei von Franz Glawatsch ertappt worden. Der Spielbetrieb des TIVOLI-KINOS konnte nach Kriegsende am 18.5.1945 mit DIE FEUERZANGENBOWLE (D 1944, R: Helmut Weiss) wiederaufgenommen werden. Ursprünglich wurde die Mitbesitzerin Lucie Mikusch ab 5.10.1945 als Kuratorin der abwesenden früheren Eigentümer bestellt, ab 28.1.1946 übernahm jedoch das Gremium der Wiener Lichtspieltheater unter der Oberaufsicht von Alfred Migsch die Verwaltung; dieser wiederum setzte Robert A. Feitzinger als seinen Vertreter ein. Ab 1.10.1946 übernahm die Amerikanische Militärregierung Wiens die Verwaltung des Kinos, da Klara Lichtenburg, die Schwester Abraham Schönfelds, von Tel-Aviv aus Erbansprüche geltend machen wollte und bestätigte Robert A. Feitzinger als Verwalter. Am 15.7.1947 kam es vor dem Volksgerichtsenat unter Vorsitz des Oberlandesgerichtrats Huber zur Verurteilung des Arisierungs-Ehepaars Glawatsch. Der 46-jährige Franz Glawatsch wurde zu vier Jahren schweren Kerkers, seine 42-jährige Gattin Olga zu acht Monaten Kerker verurteilt. Zudem wurde ihr Vermögen von der Republik Österreich beschlagnahmt. Da die Republik von der Verwaltung ausgenommen war, wurde mit Bescheid der MA 69 auch die öffentliche Verwaltung des Kinos beendet. Auch Robert A. Feitzinger, der Verwalter des TIVOLI-KINOS, wurde am 26.10.1949 vom Gericht wegen Scheckfälschungen und Inventarveräußerungen in Zusammenarbeit mit Leopold Swoboda – einem technischen Beamten aus dem Büro des Verwalters der Wiener Lichtspieltheater, Minister Migsch – zu 15 Monaten schweren Kerkers verurteilt. Swoboda wurde wegen Beihilfe und Diebstahls der Tobis-Klangfilm-Apparatur des GLORIETTE-KINOS (XIV., Linzer Straße 2) zu drei Monaten schweren Kerkers verurteilt. Ab 1948 wurde das Kino in Gesellschaft von Lucie Mikusch mit Karl und Franziska Alde und dem Österreichischen Bundesschatz geführt. Bis 1953 hatte die Kiba die Konzession des Kinos, das bis dahin von Lucie Mikusch geleitet worden war, inne. Die Konzession ging von der Kiba zuerst auf Karl Alde und 1959 auf Lucie Mikusch über. 1958 wurde das TIVOLI-KINO auf Breitwand adaptiert. Direkt neben dem Kinoeingang in der Sechshauser Straße führte ein Aufgang zur Vorführkabine. Im Eingangsbereich des Kinos befand sich neben der Kinokasse ein kleines Büfett, danach gelangte man in den schlauchartigen Warteraum, in dem die Toiletten untergebracht waren. Am Ende des Raums führte ein Treppenaufgang zu einer seitlichen Loge des Kinosaals, die ca. einen Meter erhöht war. Der schmale Kinosaal hatte eine Dimension von ca. 5,2 x 17,2 m. 1969 erwarb das Ehepaar Otto und Edith Slanina das TIVOLI- KINO. Edith Slanina hielt die Konzession und Otto Slanina war Geschäftsführer des Kinos. Am 8.12.1973 suchte Otto Slanina um das Abtragen der seitlichen Loge und des Treppenaufgangs zur Loge an. Die Logenöffnung zum Kinosaal hin sollte abgemauert und durch den dadurch gewonnenen Platz im Foyer durch Einziehen einer Zwischenwand ein Abstellraum eingerichtet werden. Am 17.3.1975 wurde der reguläre Spielbetrieb des Kinos mit einer Aufführung von JAMES BOND 007 – DER MANN MIT DEM GOLDENEN COLT / THE MAN WITH THE GOLDEN GUN (UK 1974, R: Guy Hamilton, mit Roger Moore) beendet. Danach wurde das TIVOLI-KINO nahtlos als Erotikkino genutzt, die Eröffnungsvorstellung fand am 18.3.1975 statt. Die 1973 beantragten Umbauarbeiten wurden nun von Baumeister Kurt Bachmann durchgeführt und die Sitzplätze zuerst auf 172 und danach bis 1981 schrittweise auf 92 Holzsessel reduziert. Der Kinoname wechselte auf TIVOLI-KINO CINEMA EROTIC. Hans Pepersky erwarb das TIVOLI-KINO CINEMA EROTIC unter seiner Filmgesellschaft Sun-Video Warenhandelsgesellschaft m. b. H. und leitete das Kino nach Liquidation dieser Gesellschaft unter der Venus-Video Warenhandelsgesellschaft m. b. H. bis zu deren Liquidation 2010. Unter Pepersky wurde die ehemals analoge Projektion durch einen Beamer ersetzt und die Sitzplätze auf ca. 60 Platze reduziert. Ab 2010 pachtete Christian Ehrenhofer das TIVOLI-KINO CINEMA EROTIC von Pepersky, erhielt auch die Konzession für das Kino und betreibt es seither als eines der letzten Erotikkinos Wiens. Unter Ehrenhofer kam es 2012 zu weiteren Umbauten des Kinos, das nun verkürzt als CINEMA EROTIC geführt wird. Der ehemalige Kinosaal wurde durch den Einbau einiger Kabinen halbiert und die ehemalige Holzbestuhlung durch 14 gepolsterte Fauteuils ersetzt. Im ehemaligen Foyer befinden sich ein Erotikshop und ein Getränkeautomat. Durch weitere Adaptionen des Foyers und des Warteraumbereichs des Erotikkinos im Herbst 2022 wurde das Angebot an DVDs und Zeitschriften reduziert.

 

 

 

(Text: © Thomas Jelinek)

 



Eintrittspreis: 12€